So manche*r Bürger*in wird sich die Frage der Steuergeldverschwendung stellen, beim Anblick einer abstrakten, hochpreisigen Skulptur für den öffentlichen Raum, beim Besuch einer modernen, befremdlich wirkenden Theaterinszenierungen eines Klassikers oder bei der diesjährigen Documenta fifteen und der damit einhergehenden Antisemitismus Debatte. Die Documenta ist die weltweit wichtigste Kunstausstellung für zeitgenössische Kunst und das Aushängeschild Deutschlands. Immerhin unterstützt der Bund mit ganzen 4,5 Millionen Euro Steuergeldern diese Ausstellung.
Die Documenta Veranstalter*innen wollten für diese Ausstellung einen neuen Weg gehen, so dass nicht wie in den Jahren zuvor ein*e Kurator*in für die Documenta die Künstler*innen und deren Werke kuratiert, sondern es soll ein Künstlerkollektiv namens Ruangrupa aus dem globalen Süden diese Aufgabe übernehmen. Kritisch dabei war, dass sie der Bewegung BDS nahestehen, die für den Boykott Israels eintritt und auch keine israelische Künstler*innen zur Documenta eingeladen wurden. Dies führte schon im Vorfeld der Eröffnung zu Unstimmigkeiten und Warnungen. Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth und die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn wurde im Vorfeld auf Nachfragen an die Documenta Verantwortlichen versichert, dass es kein Raum für Antisemitismus geben werde.
Verantwortlich für den Eklat ist das Bild „Peoples Justice“ des Künstlerkollektives Taring Padi. Darin wurden antisemitische Stereotypen abgebildet. Die Gruppe entschuldigte sich, dass die Darstellung der Figuren eine „antisemitische Leseart bietet“ und sie seien ein „progressives Kollektiv, das sich für die Unterstützung und den Respekt von Vielfalt einsetzt“. Thematisch sollte die 32-jährige Militärdiktatur ihres Landes dargestellt werden. Auf politischen Druck hin wurde das Banner abgehängt.
Skandale bei den vergangenen Documenta gab es schon immer. Einzelne Künstler*innen verursachten mit ihren Arbeiten einen Skandal, um auf sich oder auf ein Thema aufmerksam zu machen. Jonathan Meese, einer der bekanntesten deutschen Künstler unserer Zeit, sagte mal in einen Interview, man könne nur durch Vitamin B oder Provokation sich einen Namen als Künstler machen. Eins hat Taring Padi geschafft, ihren Bekanntheitsgrad stark zu erhöhen. Es sei dahingestellt, ob es eine gewollte Provokation seitens der Kollektivs war, oder ob wir mit unseren westlich geprägten und besonders deutschen geschichtlichen Background Symbole sensibler wahrnehmen. Wer jedoch in Israel die Zeitungen aufschlägt, stellt fest, dass dort die Antisemitismus-Debatte um die Documenta 15 in der Öffentlichkeit kein Thema ist.
Nichtsdestotrotz endet die Kunstfreiheit dann, wenn menschenverachtende Darstellungen vorgenommen oder als entwürdigend wahrgenommen werden und dies wurde seitens des Zentralrat der Juden, als betroffene Gruppe, so empfunden. Daher war es richtig, so schnell wie möglich das Banner nicht nur zu verhüllen, sondern abzuhängen und kein Raum mehr zu geben.
Aber hier geht es nicht um die Provokation eines Einzelnen oder eines Künstlerkollektivs, hier verschiebt sich die Debatte in die Politik. Welche Pflicht hat der Staat? Nur die Funktion als reiner Geldgeber oder darf er auch mitbestimmen, wo lang es geht, ohne gleich dem Vorwurf der Zensur ausgesetzt zu sein?
Im Falle der Documenta war es ein schwerer Fehler der Merkelregierung sich als Kultur- stiftung des Bundes aus dem Aufsichtsrat der Documenta Gesellschaft zurück zu ziehen. Hier hätte man in der Auswahl des Kuratorenteams mehr Einfluss nehmen können. Wichtig ist, dass eine vollständige Aufarbeitung des Documenta Eklats stattfinden muss,
und der Staat auch seine Verantwortung im Aufsichtsrat wieder aufnimmt. Steuergelder hätten niemals so unbedarft in die Hände einer Gruppe gelegt werden dürfen, die dem Antisemitismus so nahe steht. Richtig ist, dass die Grüne Kulturstaatsministerin Roth nun umfassende Aufarbeitung des Eklats fordert, damit so etwas sich nicht mehr wiederholt.
Der Staat oder wir als kleine Kommune sollten immer darauf achten, an wen wir Steuergelder verteilen, welchen Inhalt die Veranstaltung hat und auch was daraus wurde. Eins ist wichtig, den Projekten soviel Freiheit zu geben, wie möglich und Plan- ungssicherheit.
Die Kunst- und Kulturszene gehört finanziell unterstützt, Raum gegeben, sei es örtlicher Natur oder in der Freiheit ihrer Gestaltung. Kunst kann uns aufzeigen, was schief läuft in unserer Gesellschaft, in der Politik und der Welt. Sie darf Kritik üben, aber nur solange es niemand in seinen Rechten beschränkt oder in seiner/ihrer Würde herabsetzt. Die Kultur ist eine Bereicherung für alle Bürger*innen, in ihrer Persönlichkeitsbildung und seelischen Wohlbefinden, ist eine Brücke zwischen den Kulturen und dient zur Verständigung und stärkt die Demokratie. Sie darf kein Luxusgut werden und muss allen Menschen zugänglich sein.
Nichtsdestotrotz freue ich mich auf den Documenta fifteen Besuch, da sie das Leitthema Nachhaltigkeit inne hat und den Fokus auf Ökologie und soziales Engagement, Teilhabe und wie könnte es anders sein bei einer Documenta, auch die Politik ins Visier nimmt. Dies sind genau die Themen, die uns auch als Grüne in Viernheim beschäftigen.
Nutzen Sie die vielfältigen und qualitativ hochwertigen Kulturangebote Viernheims, die es ohne Kulturförderung sonst nicht gäbe! Seinen Sie neugierig und schauen Sie in Projekte hinein, die Sie sonst nicht besuchen würden. Vielleicht nutzen Sie gleich beim Stadtfest ihre Chance und lauschen den Bands oder werfen ein Blick ins Kunsthaus.
Ina Dewald
Bündnis 90 / Die Grünen