Nordwest II – Bauen oder Nichtbauen?

Unsere Stadt hat nur noch begrenzte räumliche Ressourcen. Schmittsberg II ist relativ weit bebaut. Derzeit wird die Entwicklungsmaßnahme Bannholzgraben um einen Bauabschnitt erweitert. Baugenossenschaft und ein privater Investor haben dort größere Vorhaben begonnen. Es ist absehbar, dass einige Projekte dort, seien es private oder von Investoren, letztlich nicht realisiert werden, aufgrund der gestiegenen Baukosten und gestiegenen Zinsen.

Gleichzeitig wird nun seitens der Stadtverwaltung die Entwicklung des Baugebietes Nordwest II forciert. Wir haben in der Fraktion mehrfach über das Projekt diskutiert. Viele von uns Grünen stehen diesem Projekt kritisch gegenüber. Den Beschlussvorschlag zur Einleitung des Bebauungsplanverfahrens im Jahr 2021 hat die Fraktion mehrheitlich abgelehnt. Wir werden die weitere Entwicklung kritisch begleiten und die Detailplanungen hinterfragen.

Hier nur wenige generelle Punkte: Die Lage des Gebiets ist extrem ungünstig, mit der Nähe zu Stromleitungen und zur Bundesautobahn und der nach unserer Auffassung heutzutage nicht mehr hinzunehmenden Lärmbelastung eines Teils der Fläche mit erheblicher Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität. Vor allem Miet- und Geschosswohnungen sollen an den am meisten belasteten Flächen und als Riegel und Lärmabschirmung eingesetzt werden. Das halten wir für unsozial. Zudem wird durch die Riegelbebauung die Frischluftzufuhr für Nordwest II behindert.

Welche Investoren sollen sich bereitfinden, hier mit erhöhten Kosten für vorgeschriebene Schutzmaßnahmen zu bauen, und zu welchen Preisen können diese Wohnungen letztlich angeboten werden? Welche Auswirkungen ergeben sich, wenn sich langfristig keine Bauträger für die Geschossbauten finden?  Welche rechtlichen Folgen hat eine mögliche Nichtumsetzung des Lärmschutzes? Sind Klagen gegen die Stadt von lärmgeplagten Eigentümern in der „zweiten Reihe“ möglich? Welche Folgen ergeben sich für das angedachte Wärmeversorgungskonzept, wenn die Bebauung eines großen Gebietes zeitlich sehr in Länge gezogen wird?

Das Gebiet ist eindeutig überdimensioniert. Wenn überhaupt sollte es verkleinert werden und in Abschnitten bebaut, was gut machbar wäre. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft in Mannheim ist die Bebauung des Franklin-Areals in vollem Gange, und Spinelli wird nun nach der Buga weiterentwickelt. Warum hier in Viernheim gerade jetzt unter denkbar ungünstigen wirtschaftlichen Voraussetzungen fürs Bauen schon wieder Wohnraum im Außenbereich schaffen?

Es ist abzusehen, dass unmittelbare und mittelbare Kosten der Maßnahme unseren städtischen Haushalt über Jahre belasten werden, wie z.B. Ankauf von Grundstücken, Finanzierung bzw. Vorfinanzierung der Infrastrukturmaßnahmen, Anbindung des Gebiets an das städtische Straßennetz. Nicht alles kann auf die künftigen Bauwilligen umgelegt werden. Über diese Aspekte wurde bislang noch gar nicht gesprochen – zumindest nicht öffentlich. Nehmen wir uns als Stadt hier nicht gerade etwas zu viel vor
Es gibt Alternativen zur Neuausweisung von Neubaugebieten. Derzeit fehlen in Viernheim wie auch bundesweit hauptsächlich Miet- und Sozialwohnungen. Die Chance, beim TiB die Voraussetzungen für den Bau von günstigen Mietwohnungen zu schaffen, wie von uns Grünen beantragt, wurde leider nicht ergriffen. Aber nun bietet sich auch das Rathausareal für die Schaffung von bezahlbaren Wohnungen im Innenbereich an. Auch an die Schaffung von attraktivem Wohnraum für Menschen im mittleren Alter und Ältere kann hier gedacht werden, denen das eigene Haus nach der Familienphase zu groß geworden ist. Dachbegrünung und Photovoltaik sowie ein schlüssiges Wärmeversorgungskonzept könnten hier in einem innovativen Wohnquartier mit verankert werden.

Es ist dringend geboten, den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern aufzunehmen, nicht nur, um punktuelle Verbesserungsvorschläge zu sammeln, wie beim formellen Beteiligungsverfahren letzthin geschehen. Stadtspitze und kommunalpolitisch Aktive müssen das Gespräch auch mit den Menschen suchen, die vielleicht anderer Meinung sind, was manchmal unbequem ist, aber auch gegenseitiges Verständnis fördert, wie z.B. der Initiative Nordweststadt II, die sich für den Erhalt der Landschaft und des Naherholungsgebietes einsetzt. Der von der Initiative organisierte Stadtspaziergang am letzten Sonntag war ein schönes Beispiel von gelebter Demokratie. Die Aktiven und alle Teilnehmenden verdienen unseren Dank und Respekt!

Bündnis 90 / Die Grünen Viernheim


Astrid Pfenning
Gabriella Römmelt
Ulrike Butendeich

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